Sie als Käufer könnten dann ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag haben, wenn insbesondere die nachfolgenden fünf Voraussetzungen erfüllt sind.
Voraussetzung Nr. 1: Wirksamer Kaufvertrag
Zunächst einmal muss ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Ihnen und dem Verkäufer bestehen.
Ein Kaufvertrag ist ein Vertrag, durch den der Verkäufer dazu verpflichtet wird, Ihnen den Kaufgegenstand zu übergeben und das Eigentum daran zu übertragen. Sie als Käufer werden durch den Kaufvertrag dazu verpflichtet werden, den Kaufpreis zu zahlen und den Kaufgegenstand abzunehmen (§ 433 BGB).
Wer sind Käufer und Verkäufer?
Sie sind dann Käufer, wenn Sie den Kaufvertrag persönlich für sich selbst abgeschlossen haben oder wenn Sie wirksam vertreten worden sind durch einen Stellvertreter (§§ 164 ff. BGB). Verkäufer ist derjenige, der den Kaufvertrag persönlich für sich selbst abgeschlossen hat oder wirksam vertreten worden ist durch einen Stellvertreter (§§ 164 ff. BGB). Kaufen Sie zum Beispiel im Elektrofachmarkt "Super-Elektro GmbH" eine Waschmaschine, so ist Verkäufer nicht der Kassierer, sondern die Super-Elektro GmbH. Denn der Kassierer schloss den Kaufvertrag mit Ihnen nicht für sich selbst als Verkäufer, sondern für die Super-Elektro GmbH.
Was sind Gründe für einen unwirksamen Kaufvertrag?
Ein Kaufvertrag ist zum Beispiel dann nicht wirksam, wenn
…Sie oder der Verkäufer bei Abschluss des Kaufvertrages nicht geschäftsfähig waren Beispiel 1: Ein sechs Jahre altes Kind möchte Ihnen sein prallgefülltes Sparschwein für 2 EUR verkaufen. Ein entsprechender Kaufvertrag wäre gemäß § 105 Abs.1 i.V.m. § 104 Nr.1 BGB unwirksam. Denn bei Abschluss des Kaufvertrages wäre der Verkäufer geschäftsunfähig.
Beispiel 2: Auf einer Feier möchte Ihnen ein sturzbetrunkener Gast sein Auto für 15.000 EUR verkaufen. Ein entsprechender Kaufvertrag wäre gemäß § 105 Abs.2 BGB unwirksam. Denn bei Abschluss des Kaufvertrages befände sich der Verkäufer "im Zustand vorübergehender Störung der Geistestätigkeit".
…gegen eine zwingende Formvorschrift verstoßen wurde
Beispiel: Sie und Ihr Nachbar schließen einen schriftlichen Kaufvertrag mit dem Inhalt, dass Sie für 450.000 EUR sein Grundstück mit Haus kaufen. Der Kaufvertrag ist grundsätzlich gemäß § 125 S.1 i.V.m. § 311 b Abs.1 S.1 BGB unwirksam. Denn der Kaufvertrag hätte von einem Notar beurkundet werden müssen.
Voraussetzung Nr. 2: Mangel beim Kaufgegenstand schon in einem bestimmten Zeitpunkt
Zudem muss der Kaufgegenstand schon in einem bestimmten Zeitpunkt einen Mangel haben. In Betracht kommen ein "Sachmangel" bzw. ein "Rechtsmangel". Welche Art von Mangel vorliegt, ist wegen derselben rechtlichen Folgen im Ergebnis egal.
Was ist ein Sachmangel und wann muss dieser vorliegen?
Anstatt "Sachmangel" sagt man im Alltag zum Beispiel "Das Auto ist kaputt / beschädigt / defekt". Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wann ein Sachmangel vorliegt. Geregelt ist dies in § 434 BGB. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Möglichkeiten ist nicht immer einfach. Da ein Sachmangel aber schon dann vorliegt, wenn eine der verschiedenen Möglichkeiten gegeben ist, ist es im Ergebnis egal, um welche der verschiedenen Möglichkeiten es sich handelt.
Welche Beispiele gibt es für einen Sachmangel?
Beispiele für einen Sachmangel sind:
Die Höchstgeschwindigkeit des KFZ beträgt nur 180 km/h, obwohl im Kaufvertrag 220 km/h vereinbart wurden. Ein Sachmangel liegt vor, da der Kaufgegenstand nicht die im Kaufvertrag vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 Abs.1 S.1 BGB).
Mit dem KFZ kann man nicht durch die Wüste fahren, obwohl genau dies im Kaufvertrag vorausgesetzt wird. Ein Sachmangel liegt vor, da der Kaufgegenstand sich nicht für die im Kaufvertrag vorausgesetzte besondere Verwendung eignet (§ 434 Abs.1 S.2 Nr.1 BGB).
Mit dem Geländewagen kann man nicht im Gelände fahren. Ein Sachmangel liegt vor, da sich der Kaufgegenstand nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet (§ 434 Abs.1 S.2 Nr.2, 1. Alt. BGB). Ein Geländewagen muss nämlich gerade auch im Gelände fahren können. Ein solcher Sachmangel liegt aber nicht vor, wenn man mit dem Kleinwagen nicht im Gelände fahren kann. Denn ein Kleinwagen eignet sich gewöhnlich nicht zum Fahren im Gelände.
Der Verkäufer verkauft Ihnen ein zwei Monate altes KFZ für 35.000 EUR. Das KFZ hat Roststellen und die Scheibenwischer sind stark abgenutzt. Ein Sachmangel liegt vor, da der Kaufgegenstand nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Kaufgegenständen der gleichen Art üblich ist und die Sie nach der Art des Kaufgegenstandes erwarten dürfen (§ 434 Abs.1 S.2 Nr.2, 2. Alt. BGB). Diese Art von Mangel kommt im Alltag übrigens am häufigsten vor. Ein solcher Sachmangel liegt aber nicht vor, wenn der Verkäufer Ihnen ein 25 Jahre altes KFZ für 250 EUR verkauft. Denn bei einem solchen KFZ und einem solchen Kaufpreis sind Roststellen und stark abgenutzte Scheibenwischer durchaus üblich und nicht anders zu erwarten. Hinweis: Ihre berechtigte Erwartungshaltung kann sich auch aus öffentlichen Äußerungen insbesondere des Verkäufers oder Herstellers (insbesondere in der Werbung) ergeben (§ 434 Abs.1 S.3 BGB).
Wann muss ein Sachmangel vorliegen?
Ob Sie wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten könnten, hängt entscheidend davon ab, wann
der Sachmangel entstanden ist.
Grundsatz: Entscheidend ist der Zeitpunkt der Übergabe an Sie
Damit Sie wegen des Sachmangels wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten könnten, kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Kaufgegenstand den Sachmangel schon in dem Zeitpunkt hat, als Ihnen der Kaufgegenstand zum Behalten übergeben wurde. Dies ergibt sich aus § 446 S.1 BGB.
Beispiel: Das Licht bei dem gekauften Fahrrad war schon kaputt, als der Verkäufer Ihnen das Fahrrad im Fahrradgeschäft zum Behalten übergab. Wegen des kaputten Lichts könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten.
Entsteht der Sachmangel erst nach dem Zeitpunkt der Übergabe an Sie, können Sie wegen dieses Sachmangels nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn nach diesem Zeitpunkt liegt es in Ihrem Risikobereich, ob ein Sachmangel entsteht (§ 446 S.1 BGB).
Beispiel: Den gekauften hochwertigen Spiegelschrank erhalten Sie vom Verkäufer in einem mangelfreien Zustand. Leider fällt Ihnen der Spiegelschrank bei dem Versuch, diesen in Ihrem Badezimmer aufzuhängen, auf den Boden. Dadurch wird der Spiegelschrank beschädigt. Selbstverständlich können Sie wegen dieser Beschädigung nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn als Sie den Spiegelschrank erhielten, war dieser in Ordnung.
Welche Ausnahmen gibt es von diesem Grundsatz?
Es gibt jedoch einige Ausnahmen, in denen Sie nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten können, obwohl der Kaufgegenstand den Sachmangel schon in dem Zeitpunkt der Übergabe an Sie hat. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Sachmangel während Ihres "Annahmeverzugs" (Ausnahme 1) entstanden ist. Zudem könnte dies bei einem
sogenannten "Versendungskauf" so sein (Ausnahme 2).
Ausnahme 1 - Annahmeverzug
Sofern Sie den Kaufgegenstand zu einem vereinbarten Zeitpunkt abholen müssen und auch können, dies aber nicht tun, befinden Sie sich im sogenannten "Annahmeverzug". Dieser ist in §§ 293 ff. BGB geregelt.
Hat der Kaufgegenstand den Sachmangel zwar in dem Zeitpunkt, in dem er Ihnen vom Verkäufer zum Behalten übergeben wurde, ist der Sachmangel aber bereits davor während Ihres Annahmeverzugs entstanden, so können Sie grundsätzlich nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Dies ergibt sich aus § 446 S.3 BGB. Sie können grundsätzlich allenfalls dann wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Sachmangel schon bei Beginn Ihres Annahmeverzugs vorlag. Ausnahmsweise könnte Ihnen ein Rücktrittsrecht aber auch dann zustehen, wenn der Sachmangel zwar während Ihres Annahmeverzuges entstanden ist, der Sachmangel aber auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Verkäufers beruht. Dafür spricht § 300 Abs.1 BGB.
Beispiel: Sie kaufen beim Verkäufer einen hochwertigen Spiegelschrank. Es wird vereinbart, dass Sie diesen am kommenden Freitag um 16 Uhr bei ihm in seinem Geschäft abholen, da der Verkäufer danach für zwei Wochen im Urlaub und sein Geschäft geschlossen sein wird. Entgegen der ausdrücklichen Absprache kommen Sie nicht zum vereinbarten Termin, weil Sie nicht rechtzeitig daran gedacht haben. Aufgrund eines vom Verkäufer nicht verschuldeten Kurzschlusses bricht in seinem Geschäft während seines Urlaubs ein Feuer aus. Dabei wird der Spiegelschrank beschädigt. Trotz dieser Beschädigung können Sie nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn in dem Zeitpunkt, in dem Sie den Spiegelschrank hätten abholen müssen und können, war dieser in Ordnung. Der Sachmangel ist nämlich während Ihres Annahmeverzugs entstanden. Anders könnte es aber dann sein, wenn der Kurzschluss durch den Verkäufer grob fahrlässig herbeigeführt wurde.
Beispiel: Das Licht bei dem gekauften Fahrrad war schon kaputt vor dem Zeitpunkt, in dem Sie das Fahrrad aufgrund einer ausdrücklichen Absprache mit dem Verkäufer bei ihm hätten abholen müssen und können. Wegen des kaputten Lichts könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Zwar befanden Sie sich im Annahmeverzug. Der Sachmangel ist aber nicht währenddessen entstanden.
Ausnahme 2 - Sachmangel entsteht bei einem Versendungskauf auf dem Versandweg
Für den Fall, dass der Sachmangel bei einem Versendungskauf auf dem Versandweg entsteht, regelt § 447 Abs.1 BGB, ob Sie wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten können. Die Vorschrift des § 447 Abs.1 BGB ist gut für den Verkäufer und schlecht für Sie als Käufer. Denn falls die Vorschrift anwendbar ist und ihre Voraussetzungen vorliegen, können Sie nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Ob § 447 BGB anwendbar ist, hängt im Alltag meistens davon ab, ob Sie den Kaufgegenstand im Rahmen eines sogenannten "Verbrauchsgüterkaufs" kauften oder nicht.
Situation 1: Verbrauchsgüterkauf
Bei einem Verbrauchsgüterkauf (dieser ist geregelt in § 474 Abs.1 S.1 BGB) ist § 447 BGB in aller Regel nicht anwendbar (gut für Sie). Dies bestimmt § 475 Abs.2 BGB. Bei einem Verbrauchsgüterkauf kommt es daher normalerweise nur darauf an, ob der Kaufgegenstand bei seiner Übergabe an Sie einen Sachmangel hat. Ob der Sachmangel auf dem Versandweg entstanden ist, ist insofern egal.
Ein Verbrauchsgüterkauf liegt vor, wenn Sie als Verbraucher (§ 13 BGB) von einem Unternehmer (§ 14 BGB) einen "beweglichen" Kaufgegenstand (zum Beispiel KFZ, Boot, Yacht, Kanu, Winterreifen, Fahrrad, Einbauküche, Flachbildfernseher, Spiegelschrank, Kleiderschrank, Sofa, Pferd, Jackrussel Terrier etc., nicht aber insbesondere ein Grundstück) kaufen. Ob der Unternehmer zusätzlich eine Dienstleistung erbringen muss wie zum Beispiel die Montage des gekauften Wandregals, ändert daran nichts (§ 474 Abs.1 S.2 BGB).
Beispiel: Sie kaufen für Ihren Privatgebrauch bei der Computerfachmarkt XYZ GmbH über deren Internetseite einen Laptop. Im Kaufvertrag ist standartmäßig vereinbart, dass der Laptop zu Ihnen nach Hause geschickt wird. Die Verkäuferin (dies ist die Computerfachmarkt XYZ GmbH) schickt Ihnen den Laptop über einen Paketlieferdienst zu. Als Sie das Paket entgegennehmen und öffnen stellen Sie fest, dass der Bildschirm des Laptops beschädigt ist. Wegen des beschädigten Bildschirms könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Darauf, ob der Bildschirm auf dem Versandweg beschädigt wurde oder schon vorher kaputt war, kommt es nicht an. Entscheidend ist hier allein, dass der Laptop (schon) bei der Übergabe an Sie beschädigt ist. Da der Laptop ein "beweglicher" Kaufgegenstand ist und Sie diesen als Verbraucher von einem Unternehmer kauften, liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor. § 447 BGB ist gemäß § 475 Abs.2 BGB nicht anwendbar, da die dort geregelte (im Alltag fast nie vorkommende) Ausnahme nicht vorliegt.
Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann sich der Verkäufer in aller Regel nicht auf eine individuelle Vereinbarung mit Ihnen, wonach § 447 Abs.1 BGB - zu Ihrem Nachteil - doch anwendbar ist (bzw. § 475 Abs.2 BGB nicht gilt) berufen bzw. eine entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) ist unwirksam (wichtig: nicht aber automatisch auch die anderen AGBs). Dies gilt dann, sofern diese Vereinbarung getroffen wurde, bevor Sie den Verkäufer über den Mangel informierten bzw. bevor Sie von ihm über den Mangel informiert wurden (§ 476 Abs.1 BGB). Wohl erst nach einer solchen Mitteilung kann § 447 Abs.1 BGB "wirksam" für anwendbar erklärt werden (zum Beispiel im Rahmen eines Vergleichs zwischen Ihnen und dem Verkäufer).
Situation 2: Kein Verbrauchsgüterkauf
Liegt kein Verbrauchsgüterkauf vor (insbesondere bei einem Kauf von Privat), ist § 447 Abs.1 BGB grundsätzlich anwendbar. Ob seine Voraussetzungen jedoch auch vorliegen, kommt immer auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles an.
Beispiel: Sie kaufen für Ihren Privatgebrauch beim Privatmann (Verkäufer) über www.ebay.de seinen Laptop. Der Verkäufer beauftragt wie vereinbart einen Paketlieferdienst mit dem Versand und übergibt diesem dazu den Laptop. Als Sie das Paket öffnen, stellen Sie fest, dass der Bildschirm des Laptops beschädigt ist.
Beschädigung schon vor dem Versand
War der Bildschirm schon vor der Übergabe an den Paketlieferdienst beschädigt, könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn die Voraussetzung des § 447 Abs.1 BGB, dass der Sachmangel auf dem Versandweg entstanden ist, liegt nicht vor.
Beschädigung auf dem Versandweg ohne Schuld des Verkäufers
War der Bildschirm zunächst nicht beschädigt, als der Verkäufer den Laptop gut verpackt an einen zuverlässigen Paketlieferdienst übergab, sondern wurde der Bildschirm erst aufgrund eines vom Verkäufer unverschuldeten Unfalls auf dem Versandweg zu Ihnen beschädigt, können Sie nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Die Voraussetzungen des § 447 Abs.1 BGB liegen vor. Der Verkäufer war im Rahmen eines "Versendungskaufs" (Landgericht Berlin, Urteil vom 01.10.2003, Aktenzeichen 18 O 117/03) zum Versenden des Laptops an Sie verpflichtet. Der Verkäufer verpackte den Laptop ordnungsgemäß und wählte einen zuverlässigen Paketlieferdienst aus. Als der Verkäufer den Laptop gut verpackt an den Paketlieferdienst übergab, war der Laptop mangelfrei. Es hat sich eine typische Gefahr beim Versand, für die der Verkäufer keine Schuld hat, realisiert.
Beschädigung auf dem Versandweg wegen schlechter Verpackung
Wurde der Bildschirm des Laptops beschädigt, weil der Verkäufer den Laptop vor der Übergabe an den Paketlieferdienst schlecht verpackt hatte, könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Die Voraussetzungen des § 447 Abs.1 BGB liegen nicht vor. Der Verkäufer hat den Kaufgegenstand nicht ordnungsgemäß verpackt, bevor er diesen an die Versandperson übergab. Der Verkäufer hat Schuld für den Sachmangel.
Wer muss was beweisen im Hinblick auf den Sachmangel?
Bei der Frage danach, wer in einem Gerichtsverfahren beweispflichtig ist im Hinblick auf den Sachmangel, kann man unterscheiden zwischen allgemeinen Grundsätzen, Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf und Besonderheiten beim Versendungskauf.
Allgemeine Grundsätze
Wenn Sie wegen des Sachmangels vom Kaufvertrag zurückgetreten sind und nunmehr vor Gericht die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, so ist es vor Gericht grundsätzlich Ihre Aufgabe zu behaupten und - sofern der Verkäufer dies bestreitet - auch zu beweisen, dass (1) der Kaufgegenstand einen Sachmangel hat und zwar (2) bereits im entscheidenden Zeitpunkt. Einen Sachmangel können Sie - sofern dieser mit dem bloßen Auge erkannt werden kann - grundsätzlich insbesondere mit dem Kaufgegenstand selbst oder mittels Fotos beweisen (§§ 371 ff. ZPO). Ansonsten bedarf es gegebenenfalls eines Gutachtens vom gerichtlich ausgewählten Sachverständigen (§§ 402 ff. ZPO).
Besonderheiten beim Verbrauchsgüterkauf
Für Sie als Käufer ist die Tatsache (2) oft schwierig oder kaum möglich zu beweisen. Daher hat der Gesetzgeber in § 477 BGB zugunsten von Verbrauchern im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs eine sogenannte "Beweislastumkehr" geregelt. Zeigt sich innerhalb von 6 Monaten seit der Übergabe bzw. Ihrem Annahmeverzug ein Sachmangel, so wird grundsätzlich vermutet, dass dieser Sachmangel schon in diesem entscheidenden Zeitpunkt vorgelegen hat bzw. dass der Sachmangel auf einem anderen, schon in diesem Zeitpunkt vorhandenen Sachmangel beruht, ohne dass Sie dies beweisen müssen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.10.2016, Aktenzeichen VIII ZR 103/15). Wenn Sie vor Gericht behaupten, (1) der Kaufgegenstand habe einen Sachmangel und (B) dieser Sachmangel habe sich innerhalb der 6 Monate gezeigt und der Verkäufer diese beiden Tatsachen bestreitet, wäre es grundsätzlich nur Ihre Aufgabe als Käufer, diese beiden Tatsachen (1 und B) zu beweisen.
Welche Beispiele gibt es?
Sie haben beim Elektrofachmarkt "Super-Elektro GmbH" für Ihren Privatgebrauch einen nagelneuen Laptop gekauft. Nachdem Sie den Laptop einige Tage benutzt haben, lässt sich der Laptop nicht mehr starten, weil der Akku des Laptops defekt ist. Da der Verkäufer trotz Fristsetzung nicht dazu bereit ist, kostenlos den Akku zu reparieren bzw. auszutauschen bzw. Ihnen einen anderen identischen Laptop zu geben, treten Sie vom Kaufvertrag zurück. Da der Verkäufer den Kaufpreis nicht freiwillig zurückzahlt, verklagen Sie den Verkäufer nach Ablauf einer gesetzten Frist auf Rückzahlung des Kaufpreises. Damit Sie vor Gericht gewinnen könnten müssen Sie dort insbesondere behaupten und - wenn der Verkäufer dies bestreitet - auch beweisen, dass (1) der Akku defekt ist und (B) sich dies innerhalb von 6 Monaten nach der Übergabe an Sie zeigte. Zu Ihren Gunsten wird vermutet (ohne dass Sie auch dies beweisen müssen), dass (2) der Akku schon defekt war, als Ihnen der Laptop vom Kassierer übergeben wurde.
Am 23.02.2019 kaufen und erhalten Sie für sich privat vom KFZ-Händler (Verkäufer) ein KFZ. Etwa einen Monat später kommt es zu einem Motorschaden. Es stellt sich heraus, dass der Zahnriemen defekt ist. Es steht jedoch nicht fest, ob der Zahnriemen durch einen Fahrfehler von Ihnen defekt wurde, ob der Zahnriemen schon im Zeitpunkt der Übergabe des KFZ an Sie defekt war und ob der defekte Zahnriemen den Motorschaden verursacht hat. Damit Sie vor Gericht gewinnen könnten müssen Sie dort insbesondere behaupten und - wenn der Verkäufer dies bestreitet - auch beweisen, dass (1) das KFZ einen Motorschaden hat und (B) sich dies innerhalb von 6 Monaten seit der Übergabe des KFZ an Sie zeigte. Zu Ihren Gunsten wird vermutet (ohne dass Sie auch dies beweisen müssen), dass (2) der Zahnriemen schon bei der Übergabe des KFZ an Sie defekt war und dass (X) der defekte Zahnriemen den Motorschaden verursacht hat. Es wird also vermutet, dass das KFZ "den Sachmangel" schon bei der Übergabe an Sie hatte.
Ausnahmsweise keine Vermutung
In folgenden Fällen gilt die Vermutung des § 477 BGB ausnahmsweise nicht:
- Der Verkäufer beweist, dass der Kaufgegenstand den Sachmangel in dem entscheidenden Zeitpunkt noch nicht hatte.
- Die Vermutung ist unvereinbar mit der Art des Kaufgegenstandes
Beispiel: Sie kaufen vom Verkäufer eine verschlossene Kiste mit 50 Kilogramm Bananen. Damit möchten Sie für eine private Feierlichkeit bei Ihnen zu Hause Bananen-Smoothies machen. 8 Wochen nach der Übergabe öffnen Sie die Kiste und stellen fest, dass die Bananen braun verfärbt und matschig sind. Es wird nicht vermutet, dass die Bananen schon bei der Übergabe an Sie braun und matschig waren. Es ist nämlich gut denkbar, dass die Verschlechterung der Bananen erst danach eingetreten ist. Es wird Ihnen hier nicht gelingen zu beweisen, dass die Bananen schon bei Übergabe an Sie verdorben waren.
- Die Vermutung ist unvereinbar mit der Art des Mangels
Beispiel: Sie kaufen vom Verkäufer für Ihre Freizeit ein Pferd der Rasse "Westfale". 12 Wochen nach der Übergabe wird das Pferd krank. Es steht fest, dass die Inkubation 2 Wochen beträgt. Es wird nicht vermutet, dass das Pferd schon bei der Übergabe an Sie krank bzw. mit dem Krankheitserreger infiziert war. Denn wegen der Inkubationszeit steht fest, dass sich das Pferd mit dem Krankheitserreger erst 10 Wochen nach der Übergabe an Sie infizierte.
Besonderheiten im Rahmen eines Versendungskaufs
Sofern § 447 Abs.1 BGB anwendbar ist und seine Voraussetzungen vorliegen, gilt Folgendes:
Beweislast für Übergabe an Versandperson
Wenn der Verkäufer vor Gericht behauptet, er habe den Kaufgegenstand an die Versandperson übergeben und Sie dies (insbesondere mit "Nichtwissen") bestreiten, so wäre es grundsätzlich die Aufgabe des Verkäufers, dies zu beweisen.
Beweislast für Sachmangel bei Übergabe an Versandperson
Wer von Ihnen vor Gericht behaupten und - sofern die Gegenseite dies bestreitet - auch beweisen muss, ob der Kaufgegenstand schon im Zeitpunkt der Übergabe an die Versandperson den Sachmangel hatte, hängt insbesondere davon ab, wie Sie sich bei der Übergabe des Kaufgegenstandes verhalten.
Situation: Entgegennahme unter Vorbehalt und unverzügliche Beschwerde
Als der Paketlieferdienst Ihnen das Paket mit dem Laptop übergibt, bemerken Sie, dass das Paket beschädigt ist. In Anwesenheit des Mitarbeiters des Paketlieferdienstes öffnen Sie das Paket und stellen fest, dass der Bildschirm des Laptops beschädigt ist. Daraufhin unterschreiben Sie den Erhalt nicht einfach nur. In das Textfeld für die Unterschrift schreiben Sie auch "Bildschirm beschädigt. Entgegennahme daher nur unter Vorbehalt". Zudem teilen Sie dies zusätzlich unverzüglich dem Verkäufer mit. In einem solchen Fall ist es vor Gericht wohl grundsätzlich nur Ihre Aufgabe, die Beschädigung zu behaupten und - sofern der Verkäufer diese bestreitet - auch zu beweisen. Hingegen wäre es grundsätzlich wohl die Aufgabe des Verkäufers zu behaupten und - wenn Sie dies (insbesondere mit "Nichtwissen") bestreiten - auch zu beweisen, dass der Kaufgegenstand nicht schon beschädigt war, als er diesen an die Versandperson übergab.
Situation: Entgegennahme ohne Vorbehalt und ohne unverzügliche Beschwerde
Als der Paketlieferdienst Ihnen das Paket mit dem Laptop übergibt, bemerken Sie, dass das Paket beschädigt ist. In Anwesenheit des Mitarbeiters des Paketlieferdienstes öffnen Sie das Paket und stellen fest, dass der Bildschirm des Laptops beschädigt ist. Sie unterschreiben den Erhalt und nehmen den Laptop ohne Vorbehalt entgegen. Zudem benutzen Sie den Laptop einige Monate, ohne sich beim Verkäufer zu beschweren. Erst später teilen Sie dem Verkäufer mit, dass der Bildschirm schon im Zeitpunkt der Übergabe an Sie beschädigt war. In einem solchen Fall ist es vor Gericht grundsätzlich wohl nicht nur Ihre Aufgabe, die Beschädigung zu behaupten und - sofern der Verkäufer diese bestreitet - auch zu beweisen. Zudem ist es grundsätzlich auch Ihre Aufgabe zu behaupten und - sofern der Verkäufer dies bestreitet - zu beweisen, dass die Beschädigung schon vorhanden war, als der Verkäufer den Laptop an die Versandperson übergab. Letzteres wird Ihnen in aller Regel (wenn Sie nicht etwa einen Zeugen wie zum Beispiel den Mitarbeiter des Paketlieferdienstes haben) kaum gelingen. Warten Sie daher nicht zu lange mit der Reklamation!
Was ist ein Rechtsmangel und wann muss dieser vorliegen?
Wann ein Rechtsmangel vorliegt, ist in § 435 BGB geregelt. Insbesondere nach seinem Satz 1 liegt ein Rechtsmangel vor, wenn Dritte in Bezug auf den Kaufgegenstand Rechte Ihnen gegenüber geltend machen können, die nicht im Kaufvertrag geregelt wurden. Sie bekommen also an dem Kaufgegenstand nicht die Rechtsposition, die nach dem Inhalt des Kaufvertrages vorgesehen ist.
Welche Beispiele gibt es für einen Rechtsmangel?
Sie erwerben vom Verkäufer ein Grundstück samt Mehrfamilienhaus. Die Wohnungen möchten Sie an Freunde vermieten. Die Wohnungen sind aber bereits alle an andere Mieter vermietet. Dies wussten Sie nicht und dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem notariellen Kaufvertrag. Das Grundstück (samt Mehrfamilienhaus) weist einen Rechtsmangel auf. Denn die anderen Mieter können gemäß § 566 BGB Ihnen gegenüber darauf bestehen, dort erst einmal weiter zur Miete wohnen zu dürfen.
Wichtigstes Beispiel dafür, wann kein Rechtsmangel vorliegt: Sie kaufen vom Verkäufer ein Fahrrad. Das Fahrrad hatte der Verkäufer dem Eigentümer gestohlen. Dies ist Ihnen erst einige Monate, nachdem der Verkäufer Ihnen das gestohlene Fahrrad zum Behalten übergab, klar geworden. Der Eigentümer hat sein Fahrrad nämlich wiedererkannt, als Sie damit unterwegs waren, und Sie entsprechend aufgeklärt. In einem solchen Fall haben Sie das Eigentum an dem Fahrrad nicht erworben, weil es gestohlen wurde (§ 935 Abs.1 S.1, 1. Alt. BGB). Sie können - weil kein "Mangel" vorliegt - nicht gemäß §§ 437 Nr.2, 323 BGB wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten.
Wann muss ein Rechtsmangel vorliegen?
Damit Sie wegen eines Rechtsmangels gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten könnten, muss der Rechtsmangel bereits im Zeitpunkt des "Eigentumserwerbs" vorgelegen haben. Was Viele nicht wissen: Durch den bloßen Abschluss eines Kaufvertrages werden Sie nicht Eigentümer des Kaufgegenstandes! Wann und unter welchen Voraussetzungen Sie das Eigentum erwerben, ergibt sich bei "beweglichen" Kaufgegenständen aus §§ 929 ff. BGB und bei Grundstücken aus §§ 873, 925 BGB. Aber keine Sorge! Im Alltag erwerben Sie in aller Regel "problemlos" das Eigentum. Dabei müssen Sie sich dann keine Gedanken machen über die nicht einfach zu verstehenden Vorschriften zum Eigentumserwerb.
Beispiel: Sie möchten ein neues Smartphone kaufen. Dazu gehen Sie zum Handygeschäft "Exklusiv-Handy GmbH". Dort finden Sie ein tolles Smartphone, welches Sie gerne haben möchten. Sie gehen mit dem Smartphone zur Kasse. Der Kassierer scannt das Preisetikett ein und Sie geben ihm die 299 EUR. Sie verabschieden sich und verlassen das Handygeschäft mit dem Smartphone. Es ist insbesondere Folgendes geschehen:
- Sie und die Exklusiv-Handy GmbH haben einen Kaufvertrag über das Smartphone für 299 EUR abgeschlossen.
- Sie haben von der Exklusiv-Handy GmbH das Eigentum am Smartphone erworben.
Voraussetzung Nr. 3: Fristsetzung oder Fristsetzung nicht nötig
Grundsätzlich können Sie allenfalls dann wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn Sie dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Reparatur bzw. zum Ersatz gesetzt haben. Es gibt aber zahlreiche Ausnahmen, in denen Sie gegebenenfalls auch dann wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten können, wenn Sie dem Verkäufer keine Frist gesetzt haben.
Grundsatz: Fristsetzung zur Reparatur bzw. zum Ersatz erforderlich
Sie müssen dem Verkäufer grundsätzlich gemäß § 323 Abs.1 BGB eine angemessene Frist zur Reparatur bzw. zum Ersatz (der Gesetzgeber nennt beides "Nacherfüllung") gesetzt haben, um wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten zu können. Sofern Sie dem Verkäufer eine solche Frist gesetzt haben und er den mangelhaften Kaufgegenstand nicht rechtzeitig repariert bzw. Ihnen nicht einen identischen Ersatz gegeben hat, liegt eine weitere wichtige Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag vor.
Wie setzte ich dem Verkäufer eine Frist?
Fristsetzung bedeutet, dass Sie den Verkäufer eindeutig dazu auffordern müssen, innerhalb eines begrenzten Zeitraums den Kaufgegenstand zu reparieren oder Ihnen einen anderen identischen mangelfreien Ersatz zu geben. Dabei müssen Sie gegenüber dem Verkäufer Ihre Bereitschaft erklären, dem Verkäufer den Kaufgegenstand zur Überprüfung der behaupteten Mängel zur Verfügung zu stellen. Einen konkreten Zeitpunkt (zum Beispiel "bis zum 31.12.2019") oder Zeitraum (zum Beispiel "innerhalb von drei Wochen") müssen Sie dabei nicht vorgeben (Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2016, Aktenzeichen VIII ZR 49/15). Eine Formulierung wie zum Beispiel "so schnell wie möglich" oder "unverzüglich" reicht aus.
Ist auch eine zu kurze Fristsetzung wirksam?
Ja. Sofern Sie eine zu kurze Frist gesetzt haben, ist die Fristsetzung als solche dennoch wirksam. Es läuft für den Verkäufer dann automatisch eine angemessene Frist. Welche Frist angemessen ist, ist immer eine Frage des Einzelfalles.
Ausnahme: Keine Fristsetzung zur Reparatur bzw. zum Ersatz erforderlich
In bestimmten Ausnahmefällen brauchen Sie dem Verkäufer keine Frist zur Reparatur bzw. zum Ersatz zu setzen, um wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten zu können.
Was ist, wenn eine Fristsetzung ausnahmsweise nicht erforderlich ist?
Sofern einer der Ausnahmefälle vorliegt, können Sie gegebenenfalls "sofort" vom Kaufvertrag zurücktreten.
Welches sind die wichtigsten Ausnahmefälle?
Nachfolgend werden die wichtigsten sieben Ausnahmefälle dargestellt.
Ausnahmefall 1: Ernsthafte und endgültige Verweigerung
Der Verkäufer verweigert ernsthaft und endgültig die Reparatur bzw. den Ersatz, § 323 Abs.2 Nr.1 BGB. Dafür reicht es aber noch nicht aus, dass der Verkäufer sich nicht bei Ihnen meldet, den Mangel beim Kaufgegenstand bestreitet oder er Ihnen mitteilt, Sie sollen sich an den Hersteller wenden. An eine solche Verweigerung stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen.
Ausnahmefall 2: Kaufgegenstand nicht rechtzeitig erhalten
Sie erhalten den Kaufgegenstand nicht rechtzeitig, obwohl im Kaufvertrag ein bestimmter Termin oder eine bestimmte Frist genannt wird, mit deren Einhaltung das "Geschäft stehen und fallen soll", § 323 Abs.2 Nr.2 BGB.
Ausnahmefall 3: Reparatur des Kaufgegenstandes und Ersatz beide nicht möglich
Der Kaufgegenstand kann weder repariert werden noch ist ein Ersatz möglich, § 326 Abs.5 BGB
Beispiele: Reparatur nicht möglich
Eine Reparatur ist zum Beispiel unmöglich, wenn ein gebrauchtes KFZ als "unfallfrei" verkauft wird, obwohl es tatsächlich ein Unfallwagen ist. Egal wie man sich auch bemüht, einen Unfallwagen zu reparieren. Er wird immer ein Unfallwagen bleiben. Eine Reparatur ist zum Beispiel auch unmöglich, sofern es sich bei einer gekauften Briefmarke um eine Fälschung handelt. Auch eine gefälschte Briefmarke kann nicht so repariert werden, dass sie keine Fälschung mehr ist.
Beispiele: Ersatz nicht möglich
Ein Ersatz ist zum Beispiel unmöglich, wenn es sich bei der gekauften Briefmarke um eine Fälschung handelt, die zwar auf dem Markt im Original zu bekommen wäre, aber nicht mit dem Poststempel, der für Sie als Briefmarkensammler laut Kaufvertrag besonders wichtig ist ("Einzelstück auf dem Markt"). Ein Ersatz ist zum Beispiel auch unmöglich, sofern Sie sich aufgrund Ihres persönlichen positiven Eindrucks vom Wesen eines bestimmten Pferdes genau dieses vor Ort aussuchten und kauften und sich nach Abholung herausstellt, dass es unter einer unheilbaren Krankheit leidet. In einem solchen Fall ist nicht nur eine "Reparatur" (gemeint ist eine Behandlung bzw. Operation) unmöglich. Auch ein Ersatz ist unmöglich, da es sich bei dem Pferd um ein "Einzelstück auf dem Markt" handelt.
Ausnahmefall 4: Besondere Umstände
Es liegen besondere Umstände vor, die unter Abwägung Ihrer Interessen und der Interessen des Verkäufers den sofortigen Rücktritt rechtfertigen, § 323 Abs.2 Nr.3 BGB. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Verkäufer Sie im Hinblick auf den Kaufvertrag arglistig getäuscht hat.
Ausnahmefall 5: Berechtigte Verweigerung von Reparatur und Ersatz
Der Verkäufer verweigert tatsächlich und berechtigterweise sowohl die Reparatur als auch den Ersatz wegen eines unzumutbaren Aufwandes (§ 275 Abs.2 BGB), einer persönlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs.3 BGB) oder wegen unverhältnismäßig hoher Kosten (§ 439 Abs.4 S.1BGB), § 440 S.1, 1. Alt. BGB.
Unzumutbarer Aufwand
Im Alltag liegen die Voraussetzungen des § 275 Abs.2 nur sehr selten vor.
Beispiel: Das von Ihnen wegen Ihres persönlichen positiven Eindrucks von seinen Eigenschaften ausgesuchte und gekaufte Pferd der Rasse "Araber" leidet seit seiner Geburt an einer - zum Glück grundsätzlich heilbaren - Krankheit. Die Operation (bei einem Tier sagt man nicht "Reparatur") des Pferdes wäre zwar möglich und auch nicht zu teuer, würde aber dazu führen, dass es nach seiner Operation ständig von einem Tierarzt untersucht und gegebenenfalls erneut operiert werden muss. In einem solchen Fall kann der Verkäufer die Operation ausnahmsweise gemäß § 275 Abs.2 BGB verweigern. Da ein Ersatz schon nicht möglich ist ("Einzelstück auf dem Markt"), kommt es nicht darauf an, ob der Verkäufer diese berechtigterweise verweigern dürfte.
Persönliche Unzumutbarkeit
Im Alltag liegen die Voraussetzungen des § 275 Abs.3 kaum vor.
Unverhältnismäßig hohe Kosten
Wann die Kosten im Sinne von § 439 Abs.4 S.1 BGB unverhältnismäßig hoch sind, ist immer eine Frage des Einzelfalles.
Was sind die maßgeblichen Kriterien?
Im Rahmen einer Interessenabwägung werden insbesondere folgende Umstände berücksichtigt:
Auswirkungen des Mangels auf die Gebrauchsfähigkeit des Kaufgegenstandes
Wert des Kaufgegenstandes ohne den Mangel. Hinweis: Dies ist zu Ihrem Vorteil als Käufer der Marktwert und nicht der - vielleicht wegen Ihres Verhandlungsgeschicks sehr günstige - Kaufpreis
Schuld des Verkäufers für den Mangel
Wann ist eine Reparatur bzw. ein Ersatz zu teuer?
Die Kosten für eine Reparatur bzw. einen Ersatz sind grundsätzlich unverhältnismäßig hoch, wenn sie 150 % des Wertes des Kaufgegenstandes ohne den Mangel oder 200 % des mangelbedingten Minderwertes übersteigen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2009, Aktenzeichen VIII ZR 70/08).
Beispiel: Sie haben beim Verkäufer für 3.500 EUR einen von Anfang an defekten Benzinrasenmäher gekauft. Ohne den Mangel hat er einen Marktwert in Höhe von 3.500 EUR. Mit dem Mangel hat er einen Marktwert in Höhe von 3.250 EUR. Eine Reparatur würde 250 EUR kosten. Ein identischer Ersatz-Benzinrasenmäher würde den Verkäufer 2.800 EUR kosten (700 EUR sind sein "Gewinn"). Der Verkäufer darf nur einen Ersatz verweigern. Dessen Kosten sind gegenüber denjenigen einer Reparatur unverhältnismäßig hoch. Ein Ersatz ist nämlich mehr als 20 % teurer als eine Reparatur. Eine Reparatur darf der Verkäufer jedoch nicht verweigern. Die Kosten dafür sind nicht unverhältnismäßig hoch. Die Reparaturkosten übersteigen nicht 150 % des Wertes des Kaufgegenstandes ohne Mangel. 150 % des Marktwertes vom mangelfreien Benzinrasenmäher sind 5.250 EUR. Die Reparaturkosten liegen mit nur 250 EUR weit darunter. Zudem übersteigen die Reparaturkosten nicht 200 % des mangelbedingten Minderwertes. 200 % des mangelbedingten Minderwertes (dies sind hier die 250 EUR Reparaturkosten) sind 500 EUR. Die Reparaturkosten liegen mit 250 EUR ebenfalls darunter.
Welche Besonderheiten gibt es beim Verbrauchsgüterkauf?
Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Verkäufer gemäß § 475 Abs.4 S.1 aber grundsätzlich nicht sowohl eine Reparatur als auch einen Ersatz wegen unverhältnismäßig hoher Kosten im Sinne des § 439 Abs.4 S.1 BGB verweigern. Dieses Recht könnte dem Verkäufer dann allenfalls in einem der sehr seltenen Fälle nach § 275 Abs.2 oder § 275 Abs.3 BGB zustehen. Hinweis: Sofern der 5. Ausnahmefall nicht vorliegt, denken Sie insbesondere an den Ausnahmsfall Nr.1!
Ausnahmefall 6: Fehlschlag von Reparatur bzw. Ersatz
Die Reparatur bzw. der Ersatz ist fehlgeschlagen, § 440 S.1, 2. Alt. BGB.
Wann ist eine Reparatur fehlgeschlagen?
Eine Reparatur ist in der Regel dann fehlgeschlagen, wenn sich der Verkäufer (oder ein durch ihn beauftragter Dritter) zwei Mal vergeblich darum bemüht hat, den Kaufgegenstand zu reparieren, § 440 S.2 BGB.
Wann ist ein Ersatz fehlgeschlagen?
Wie oft Sie einen jeweils mangelhaften Ersatz hinnehmen müssen, bevor ein "Fehlschlagen" bejaht werden kann, ist gesetzlich nicht geregelt. Es wird wohl eine Frage des Einzelfalles sein, und zwar abhängig von den jeweiligen Mängeln bei dem Ersatz.
Ausnahmefall 7: Reparatur bzw. Ersatz für Sie unzumutbar
Eine Reparatur bzw. ein Ersatz sind Ihnen unzumutbar, § 440 S.1, 3. Alt. BGB. Dies ist dann der Fall, wenn Ihr Vertrauen in eine(n) ordnungsgemäße(n) Reparatur bzw. Ersatz durch den Verkäufer nachhaltig gestört ist.
Beispiel: Sie haben beim Verkäufer eine teure Einbauküche gekauft. Nach dem Einbau stellt sich heraus, dass diese so ungewöhnlich schlecht montiert wurde, sodass Sie überhaupt kein Vertrauen mehr haben an dem Können des Verkäufers. In einem solchen Fall wurde die Unzumutbarkeit für den Käufer bejaht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.07.2016, Aktenzeichen VIII 49/15).
Voraussetzung Nr. 4: Rücktrittsrecht ist nicht vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen
Zudem darf Ihr Rücktrittsrecht weder vertraglich noch gesetzlich ausgeschlossen sein.
Vertraglicher Ausschluss
Ihr Rücktrittsrecht ist vertraglich ausgeschlossen, wenn Sie dies mit dem Verkäufer wirksam individuell vereinbart haben oder dies in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) geregelt ist, welche wirksamer Bestandteil des Kaufvertrages ist.
Typische Formulierungen für einen Ausschluss
Im Alltag versucht der Verkäufer im Kaufvertrag häufig, Ihre Gewährleistungsrechte vollständig auszuschließen (und damit auch Ihr Rücktrittsrecht).
Typische Formulierungen sind:
"Der Verkäufer und der Käufer vereinbaren, dass der Kaufgegenstand unter Ausschluss der Gewährleistung verkauft wird."
"Die Gewährleistung wird ausgeschlossen."
"Gekauft wie gesehen."
Wirksamkeit eines Ausschlusses
Ob ein Gewährleistungsausschluss wirksam ist, hängt insbesondere davon ab, ob Sie diesen mit dem Verkäufer individuell vereinbart haben oder dieser in einer AGB geregelt ist.
Individueller Ausschluss
Ein Gewährleistungsausschluss wurde individuell vereinbart, wenn insbesondere Sie als Käufer damit einverstanden waren und tatsächlich die Möglichkeit hatten, den Inhalt dieser konkreten Regelung wirklich zu beeinflussen. Ob eine Regelung individuell vereinbart wurde oder ob es sich bei ihr um eine AGB handelt, ist im Einzelfall nicht immer einfach festzustellen. Sofern der Verkäufer in einem Gerichtsverfahren behauptet, der Gewährleistungsausschluss sei keine AGB, sondern individuell mit Ihnen vereinbart worden, und Sie dies bestreiten, wäre es grundsätzlich die Aufgabe des Verkäufers, seine Behauptung zu beweisen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.04.1998, Aktenzeichen V ZR 6-97).
Ausschluss durch AGB
Sofern Sie und der Verkäufer einen Gewährleistungsausschluss nicht individuell vereinbart haben, handelt es sich dabei nicht automatisch um eine AGB, die wirksamer Bestandteil des Kaufvertrages ist. Wann eine AGB vorliegt und wann diese AGB wirksamer Bestandteil des Kaufvertrages ist, richtet sich nach den §§ 305 ff. BGB.
Wichtige Beispiele für nicht geltenden Ausschluss
In folgenden Fällen gilt ein Ausschluss nicht (Sie haben Glück gehabt!):
Arglistiges Verschweigen des Mangels
Der Verkäufer kann sich bezüglich eines konkreten Mangels nicht auf einen individuell vereinbarten Ausschluss Ihres Rücktrittsrechts berufen bzw. eine entsprechende AGB ist insofern unwirksam, als der Verkäufer diesen Mangel Ihnen gegenüber arglistig verschwiegen hat (§ 444 1. Alt. BGB bzw. § 307 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 444 1. Alt. BGB).
Für ein arglistiges Verschweigen reicht es aus, dass der Verkäufer den Mangel für möglich hält und es ihm egal ist, ob Sie den Mangel kennen und den Kaufvertrag dann nicht oder nicht mit demselben Inhalt abschließen würden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.04.2013, Aktenzeichen V ZR 266/11).
Anderslautende Garantie
Der Verkäufer kann sich bezüglich eines konkreten Mangels auch nicht auf einen individuell vereinbarten Ausschluss Ihres Rücktrittsrechts berufen bzw. eine entsprechende AGB ist insofern unwirksam, als der Verkäufer diesbezüglich eine anderslautende Garantie gegeben hat (§ 444 2. Alt. BGB bzw. § 307 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 444 2. Alt. BGB).
Beispiel: Sie kaufen vom Verkäufer ein KFZ. Im Kaufvertrag kreuzt der Verkäufer "Keine Vorschäden" an. Tatsächlich hat das KFZ aber erhebliche Vorschäden. Dabei dürfte es sich um eine anderslautende Garantie handeln. Eine Garantie liegt aber dann nicht vor, wenn "keine Vorschäden" den Zusatz wie zum Beispiel "laut Vorbesitzer" enthält. Denn dann handelt es sich um eine bloße Wissensmitteilung des Verkäufers (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.03.2008, Aktenzeichen VIII ZR 253/05).
Verfrühte Vereinbarung im Verbrauchsgüterkauf
Der Verkäufer kann sich bezüglich eines konkreten Mangels auch nicht auf einen individuell vereinbarten Ausschluss Ihres Rücktrittsrechts berufen bzw. eine entsprechende AGB ist insofern unwirksam, als Sie den Kaufgegenstand im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs gekauft haben und der Ausschluss Ihres Rücktrittsrechts vereinbart wurde, bevor Sie den Verkäufer über diesen Mangel informierten bzw. bevor Sie von ihm über diesen Mangel informiert wurden, § 476 Abs.1 BGB. Wohl erst nach einer solchen Mitteilung kann ein Ausschluss Ihres Rücktrittsrechts diesbezüglich "wirksam" vereinbart werden (zum Beispiel im Rahmen eines Vergleichs zwischen Ihnen und dem Verkäufer).
Leben, Körper, Gesundheit
Sofern der Verkäufer mit Ihnen vereinbart, dass Ihre Gewährleistung ausgeschlossen oder begrenzt ist (auch) für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen beruhen, wird wie folgt unterschieden:
AGB
Wurde die Vereinbarung mittels AGB getroffen, kommt es für die Wirksamkeit dieser AGB darauf an, ob Sie den Kaufvertrag als Privatperson oder Unternehmer (§ 14 BGB) abgeschlossen haben.
Haben Sie den Kaufvertrag als Privatperson abgeschlossen, ist eine solche AGB des Verkäufers (wichtig: nicht aber automatisch auch die anderen AGBs) unwirksam (§ 309 Nr.7 a, § 307 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 276 Abs.3 BGB). Weil die drei oben genannten typischen Formulierungen Ihre Gewährleistung (auch) für solche Schäden (Leben, Körper, Gesundheit) ausschließen, sind sie unwirksam, sofern sie als AGB vereinbart wurden! Obwohl es im Kaufvertrag anders geregelt ist, könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten! Merken Sie sich: Nicht alles, was schwarz auf weiß steht, ist immer richtig.
Haben Sie als den Kaufvertrag als Unternehmer (§ 14 BGB) abgeschlossen haben, ist eine solche AGB des Verkäufers - mangels direkter Anwendbarkeit (§ 310 Abs.1 BGB) - zwar nicht direkt gemäß § 309 BGB unwirksam. Ihre Unwirksamkeit ergibt sich aber grundsätzlich aus §§ 310 Abs.1 S.2, 307 Abs.2 Nr.1 BGB, es sei denn, die AGB kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 19.09.2007, Aktenzeichen VIII ZR 141/06). Dies ist immer eine Frage des Einzelfalles.
Individuelle Vereinbarung
Wurde die Vereinbarung individuell getroffen, ist sie - abgesehen vom Ausschluss für Vorsatz - wirksam (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 27.08.2017, Aktenzeichen 15 U 7/12). Sie könnten also allenfalls bei Vorsatz des Verkäufers ein Rücktrittsrecht haben. Denn eine Haftung für eigenen Vorsatz kann im Vorfeld nicht wirksam ausgeschlossen werden (§ 276 Abs.3 BGB). Eine solche Vereinbarung wird (im Gegensatz zur Situation bei einer AGB) dann mit dem Ziel ihrer Wirksamkeit so ausgelegt, dass ein Ausschluss für Vorsatz davon nicht umfasst ist. Wenn Sie vor Gericht behaupten, der Verkäufer habe den Mangel gekannt und vorsätzlich verschwiegen, so wird er dies gegebenenfalls bestreiten. In einem solchen Fall wäre es grundsätzlich Ihre Aufgabe, die Kenntnis und den Vorsatz des Verkäufers zu beweisen. Dies ist in aller Regel nicht einfach.
Vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung
Sofern der Verkäufer mit Ihnen vereinbart hat, dass Ihre Gewährleistung ausgeschlossen oder begrenzt ist (auch) für sonstige Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers oder einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen beruhen, wird ebenfalls wie folgt unterschieden:
AGB
Wurde die Vereinbarung mittels AGB getroffen, kommt es auch hier für die Wirksamkeit dieser AGB darauf an, ob Sie den Kaufvertrag als Privatperson oder Unternehmer (§ 14 BGB) abgeschlossen haben.
Haben Sie den Kaufvertrag als Privatperson abgeschlossen, ist eine solche AGB des Verkäufers (wichtig: nicht aber automatisch auch die anderen AGBs) unwirksam (§ 309 Nr.7 b, § 307 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 276 Abs.3 BGB). Weil die drei oben genannten typischen Formulierungen Ihre Gewährleistung (auch) für solche Schäden (Leben, Körper, Gesundheit) ausschließen, sind sie unwirksam, sofern sie als AGB vereinbart wurden! Obwohl es im Kaufvertrag anders geregelt ist, könnten Sie gegebenenfalls wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten! Auch hier gilt: Nicht alles, was schwarz auf weiß steht, ist immer richtig.
Haben Sie als den Kaufvertrag als Unternehmer (§ 14 BGB) abgeschlossen haben, ist eine solche AGB des Verkäufers - mangels direkter Anwendbarkeit (§ 310 Abs.1 BGB) - zwar nicht direkt gemäß § 309 BGB unwirksam. Ihre Unwirksamkeit ergibt sich aber ebenfalls grundsätzlich aus §§ 310 Abs.1 S.2, 307 Abs.2 Nr.1 BGB, es sei denn, die AGB kann wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden (Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 19.09.2007, Aktenzeichen VIII ZR 141/06). Auch hier kommt es immer auf den Einzelfall drauf an.
Individuelle Vereinbarung
Wurde die Vereinbarung individuell getroffen, ist sie - abgesehen vom Ausschluss für Vorsatz - wirksam (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 27.08.2017, Aktenzeichen 15 U 7/12). Sie könnten also allenfalls bei Vorsatz des Verkäufers ein Rücktrittsrecht haben. Denn eine Haftung für eigenen Vorsatz kann im Vorfeld nicht wirksam ausgeschlossen werden (§ 276 Abs.3 BGB). Eine solche Vereinbarung wird (im Gegensatz zur Situation bei einer AGB) dann mit dem Ziel ihrer Wirksamkeit so ausgelegt, dass ein Ausschluss für Vorsatz davon nicht umfasst ist. Wenn Sie vor Gericht behaupten, der Verkäufer habe den Mangel gekannt und vorsätzlich verschwiegen, so wird er dies gegebenenfalls bestreiten. In einem solchen Fall wäre es grundsätzlich Ihre Aufgabe, die Kenntnis und den Vorsatz des Verkäufers zu beweisen. Dies ist in aller Regel nicht einfach.
Neu hergestellter Kaufgegenstand
Sofern Sie einen neu hergestellten Kaufgegenstand kaufen, ist bei einer AGB zur Gewährleistung zudem insbesondere § 309 Nr.8 b) BGB bzw. § 310 Abs.1 S.1 BGB i.V.m. § 307 Abs.2 Nr.1 BGB zu beachten. Auch hieraus ergibt sich, wann eine solche AGB unwirksam sein kann.
Gesetzlicher Ausschluss
Es gibt einige Vorschriften, wonach Ihr Rücktrittsrecht gesetzlich ausgeschlossen sein kann.
Kenntnis vom Mangel
Zum Beispiel ist Ihr Rücktrittsrecht im Hinblick auf jeden Mangel, den Sie bei Abschluss des Kaufvertrages wirklich kannten, gemäß § 442 Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen.
Allgemeines
Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer den Mangel Ihnen gegenüber arglistig verschwiegen oder eine anderslautende Garantie gegeben hat. Sofern der Verkäufer in einem Gerichtsverfahren behauptet, Sie hätten den Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages gekannt und Sie dies bestreiten, so wäre es grundsätzlich die Aufgabe des Verkäufers, seine Behauptung zu beweisen. Selbstverständlich sollten Sie auch vor Gericht nicht vorsätzlich die Unwahrheit sagen. Denn ansonsten machen Sie sich gegebenenfalls strafbar wegen Prozessbetrugs gemäß § 263 StGB (und zwar dann, wenn Sie wegen der Lüge vor Gericht gewinnen) oder wegen versuchten Prozessbetrugs gemäß §§ 263, 22, 23 StGB (und zwar dann, wenn Sie zwar gelogen haben, um vor Gericht zu gewinnen, der Richter dies aber bemerkte und Sie vor Gericht verlieren).
Selbstverständlich ist Ihr Rücktrittsrecht wegen eines anderen Mangels, den Sie nicht kannten, nicht gemäß § 442 Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen.
Welche Beispiele gibt es?
Beispiel: Es gibt nur einen Mangel
Sie haben vom Verkäufer ein gebrauchtes KFZ gekauft. Bevor Sie den Kaufvertrag unterschreiben, haben Sie bemerkt, dass das Dach des KFZ einen Hagelschaden hat. Ihr Rücktrittsrecht wegen des beschädigten Daches ist gemäß § 442 Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen. Denn vor Abschluss des Kaufvertrages kannten Sie diesen Mangel.
Beispiel: Es gibt mehrere Mängel
Sie haben vom Verkäufer ein gebrauchtes KFZ gekauft. Bevor Sie den Kaufvertrag unterschreiben, haben Sie bemerkt, dass das Dach des KFZ einen Hagelschaden hat. Nicht bemerkt haben Sie, dass ein Scheinwerferlicht defekt ist. Im Hinblick auf das beschädigte Dach ist Ihr Rücktrittsrecht gemäß § 442 Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen. Denn vor Abschluss des Kaufvertrages kannten Sie diesen Mangel. Im Hinblick auf den defekten Scheinwerfer ist Ihr Rücktrittsrecht nicht gemäß § 442 Abs.1 S.1 BGB ausgeschlossen. Denn vor Abschluss des Kaufvertrages kannten Sie diesen Mangel nicht.
Grob fahrlässige Unkenntnis
Ein weiteres Beispiel dafür, wann Ihr Rücktrittsrecht gesetzlich ausgeschlossen sein kann, ergibt sich aus § 442 Abs.1 S.2 BGB.
Allgemeines
Nach § 442 Abs.1 S.2 BGB ist Ihr Rücktrittsrecht für jeden Mangel, den Sie infolge grober Fahrlässigkeit nicht bemerkt haben vor Abschluss des Kaufvertrages, grundsätzlich ausgeschlossen. Falls Sie den Mangel nur einfach fahrlässig nicht bemerkt haben, ist Ihr Rücktrittsrecht jedoch nicht gemäß § 442 Abs.1 S.2 BGB ausgeschlossen. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn - salopp formuliert - jedem Depp der Mangel hätte auffallen müssen. In aller Regel ist es nicht Ihre Aufgabe, den Kaufgegenstand vor Abschluss des Kaufvertrages auf Mängel zu untersuchen. Sofern jedoch konkrete Anhaltspunkte für Sie vorliegen, wonach der Kaufgegenstand einen Mangel haben könnte, wäre es Ihre Aufgabe, etwas genauer hinzuschauen bzw. beim Verkäufer nachzufragen, um eine grobe Fahrlässigkeit zu verhindern. Ob grobe Fahrlässigkeit oder nur einfache Fahrlässigkeit vorliegt, hängt immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Sofern der Verkäufer in einem Gerichtsverfahren behauptet, Sie hätten den Mangel in Folge grober Fahrlässigkeit nicht bemerkt und Sie dies bestreiten, so wäre es grundsätzlich die Aufgabe des Verkäufers, seine Behauptung zu beweisen.
Auch wenn Sie den Mangel infolge grober Fahrlässigkeit nicht bemerkt haben vor Abschluss des Kaufvertrages, ist Ihr Rücktrittsrecht ausnahmsweise dann nicht gemäß § 442 Abs.1 S.2 BGB ausgeschlossen, wenn der Verkäufer den Mangel Ihnen gegenüber arglistig verschwiegen oder diesbezüglich eine anderslautende Garantie gegeben hat. Sofern Sie in einem Gerichtsverfahren behaupten, der Verkäufer habe den Mangel Ihnen gegenüber arglistig verschwiegen oder eine anderslautende Garantie gegeben und er dies bestreitet, so wäre es grundsätzlich Ihre Aufgabe, dies zu beweisen.
Welche Beispiele gibt es?
Beispiel: Keine Arglist des Verkäufers; keine anderslautende Garantie durch den Verkäufer
Sie haben vom Verkäufer ein gebrauchtes KFZ gekauft. Um das KFZ herum und darunter gibt es einen etwa 2,50 x 2,50 Meter großen Ölfleck. Grund dafür ist ein Riss in der Ölwanne, durch den eine erhebliche Menge Öl ausgelaufen ist. Bevor Sie den Kaufvertrag unterschreiben, bemerken Sie im Gegensatz zum Verkäufer, der von dem Mangel nichts weiß, den Ölfleck. Nichtsdestotrotz schauen Sie nicht genauer hin, ob mit dem KFZ alles in Ordnung ist. Ihr Rücktrittsrecht wegen der defekten Ölwanne ist gemäß § 442 Abs.1 S.2 BGB ausgeschlossen. Denn vor Abschluss des Kaufvertrages hätte Ihnen auffallen müssen, dass die Ölwanne beschädigt ist.
Beispiel: Arglist des Verkäufers
Sie haben vom Verkäufer ein gebrauchtes KFZ gekauft. Um das KFZ und darunter gibt es einen etwa 2,50 x 2,50 Meter großen Ölfleck. Grund dafür ist ein Riss in der Ölwanne, durch den eine erhebliche Menge Öl ausgelaufen ist. Bevor Sie den Kaufvertrag unterschreiben, bemerken Sie zwar den Ölfleck. Sie hoffen, dass der Ölfleck nicht vom KFZ stammt und das KFZ keinen Mangel hat, machen sich aber keine weitergehenden Gedanken und fragen beim Verkäufer auch nicht nach. Der Verkäufer weiß ganz genau, dass die Ölwanne einen Riss hat. Um das KFZ aber dennoch ohne Preisnachlass verkaufen zu können, verschweigt der Verkäufer dies Ihnen gegenüber ganz bewusst. Ihr Rücktrittsrecht ist ausnahmsweise nicht gemäß § 442 Abs.1 S.2 BGB ausgeschlossen. Zwar hätte Ihnen vor Abschluss des Kaufvertrages auffallen müssen, dass das KFZ Öl verliert und insofern mangelhaft ist. Der Verkäufer hat die defekte Ölwanne Ihnen gegenüber aber arglistig verschwiegen.
Geringfügiger Mangel
Ein weiteres Beispiel dafür, wann Ihr Rücktrittsrecht gesetzlich ausgeschlossen sein kann, ergibt sich aus § 323 Abs.5 S.2 BGB.
Grundsatz
Ihr Rücktrittsrecht wegen eines bestimmten Mangels ist grundsätzlich auch dann gesetzlich ausgeschlossen, wenn dieser Mangel nur geringfügig ist, § 323 Abs.5 S.2 BGB. In diesem Fall könnten Sie stattdessen wegen dieses (bloß geringfügigen) Mangels gegebenenfalls insbesondere den Kaufpreis mindern. Wann ein Mangel nur geringfügig ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob eine entsprechende Reparatur möglich ist oder nicht.
Reparatur ist möglich
Ist eine Reparatur möglich, ist der Mangel in der Regel nur dann geringfügig, wenn die Reparaturkosten nicht höher sind als 5 % des Kaufpreises (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2016, Aktenzeichen VIII ZR 240/15).
Beispiel: Sie haben vom Verkäufer einen gebrauchten Kinderfahrradanhänger für 600 EUR gekauft. Eine der beiden Leuchten funktioniert nicht wegen eines Wackelkontakts. Die Leuchte kann problemlos für 10 EUR repariert werden. Sie können wegen der defekten Leuchte nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Der Mangel ist nur geringfügig. Die Reparaturkosten sind nicht höher als 5 % des Kaufpreises. Sie betragen nur etwa 1,7 % des Kaufpreises.
Reparatur ist nicht möglich
Ist eine Reparatur nicht möglich, kommt es maßgeblich auf das Ausmaß der Beeinträchtigung durch den Mangel sowie die Schuld des Verkäufers an (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2016, Aktenzeichen VIII ZR 240/15). Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein höherer Benzinverbrauch bei einem neuen KFZ um weniger als 10 % gegenüber den Herstellerangaben lediglich einen geringfügigen Mangel darstellt (Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 28.03.2007, Aktenzeichen 19 U 235/06).
Ausnahme: Arglist des Verkäufers
Sofern der Verkäufer den Mangel Ihnen gegenüber bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat und Sie den Mangel nicht kannten, ist der Mangel niemals geringfügig (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2006, Aktenzeichen V ZR 173/05). Ob eine Reparatur möglich ist oder nicht, ist dann egal.
Beispiel: Sie haben vom Verkäufer einen gebrauchten Kinderfahrradanhänger für 600,00 EUR gekauft. Eine der beiden Leuchten funktioniert nicht wegen eines Wackelkontakts. Die Leuchte kann problemlos für 10 EUR repariert werden. Den Wackelkontakt hatte die Leuchte schon vor der Übergabe, was Sie aber erst kurze Zeit danach bemerkt haben. Der Verkäufer wusste dies ganz genau und hat sogar Ihre Frage, ob die Leuchten funktionieren, mit "Ja" beantwortet, damit Sie den Fahrradanhänger gleich kaufen und nicht verhandeln. Obwohl eine Reparatur möglich ist und nicht mehr als 5 % des Kaufpreises kostet, können Sie gegebenenfalls vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn der Verkäufer hat den Mangel Ihnen gegenüber arglistig verschwiegen.
Ihre Schuld
Ihr Rücktrittsrecht wegen eines bestimmten Mangels ist auch dann gesetzlich ausgeschlossen, wenn Sie für den Umstand, der Sie zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich sind, § 323 Abs.6, 1. Alt. BGB.
Beispiel: Sie haben ein gebrauchtes KFZ gekauft, dessen Einspritzdüse überdurchschnittlich stark verschlissen war. Dies wussten weder Sie noch der Verkäufer bei Abschluss des Kaufvertrages. Nachdem Sie das KFZ wenige Monate gefahren sind, ließ die Leistung des KFZ erheblich nach und das KFZ stieß schwarzen Qualm aus. Sie fuhren das KFZ dennoch monatelang weiter, ohne es in einer Werkstatt untersuchen zu lassen. Dort hätte man den Mangel schnell gefunden. Bei rechtzeitiger Reparatur hätten die Reparaturkosten lediglich 2 % des Kaufpreises betragen. Da Sie das KFZ trotz der defekten Einspritzdüse immer weiter nutzen, wurde der Motor schließlich endgültig zerstört. Die Reparatur des Motors würde deutlich mehr als 5 % vom Kaufpreis des KFZ kosten. Obwohl der Mangel nunmehr nicht nur geringfügig ist, können Sie wegen des kaputten Motors nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn für den kaputten Motor sind Sie zumindest weit überwiegend verantwortlich. Sie setzten sich über die Warnsignale grob fahrlässig hinweg und hätten die Zerstörung des Motors verhindern können (vgl. Landgericht Dortmund, Urteil vom 21.12.2007, Aktenzeichen 22 O 212/06).
Voraussetzung Nr. 5: Keine Unwirksamkeit Ihres Rücktritts wegen Zeitablaufs
Ihr Rücktritt darf auch nicht wegen Zeitablaufs unwirksam sein.
Wann ist Ihr Rücktritt wegen Zeitablaufs unwirksam?
Ihr Rücktritt ist dann wegen Zeitablaufs gemäß § 438 Abs.4 S.1 BGB i.V.m. § 218 BGB unwirksam, wenn sich der Verkäufer zu Recht auf die Verjährung ihres tatsächlichen (Möglichkeit 1) oder hypothetischen (Möglichkeit 2) Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz beruft. Um sich auf die Verjährung zu berufen, braucht der Verkäufer das Wort "Verjährung" nicht benutzen. Es reicht aus, wenn er zum Beispiel erklärt, dass "alles schon zu lange her ist". Selbstverständlich kann der Verkäufer trotz Verjährung mit dem Rücktritt einverstanden sein. Dies ist er dann entweder aus Kulanz oder weil er nicht weiß, wie die Rechtslage ist.
Möglichkeit 1: Der Verkäufer beruft sich zu Recht auf die Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz
Ihr Rücktritt ist dann unwirksam, wenn Ihr Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz (§§ 437 Nr.1, 439 BGB) verjährt ist und sich der Verkäufer tatsächlich und zu Recht auf diese Verjährung beruft.
Aus welcher Vorschrift ergibt sich die Verjährungsfrist?
Wann Ihr Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz verjährt, ergibt sich aus § 438 BGB.
Häufigster Fall: 2 Jahre
Der häufigste Fall im Alltag ist, dass Ihr Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz 2 Jahre, nachdem Sie den Kaufgegenstand erhalten haben, verjährt ist, § 438 Abs.1 Nr.3, Abs.2, 2. Alt. i.V.m. §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2, 1. Alt. BGB.
Beispiel: Am 22.02.2019 erhalten Sie vom Verkäufer das gekaufte KFZ, welches schon dann einen Mangel hat. Falls alle Voraussetzungen für Ihren Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz vorliegen, ist dieser grundsätzlich ab dem 23.02.2021 (0:00 Uhr) verjährt. Ab diesem Zeitpunkt darf sich der Verkäufer grundsätzlich auf die Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz berufen. Haben Sie den Rücktritt also erst ab dem 23.02.2021 (0:00 Uhr) erklärt, würde Ihr Rücktritt dann unwirksam werden, wenn sich der Verkäufer tatsächlich auf die Verjährung beruft.
Beispiele länger als 2 Jahre
Insbesondere abhängig davon, welchen Kaufgegenstand Sie gekauft haben, welchen Mangel der Kaufgegenstand hat und ob der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat, dauert es gegebenenfalls länger als 2 Jahre, bevor Ihr Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz verjährt ist.
Beispiel: Arglistiges Verschweigen des Mangels
Am 22.02.2019 erhalten Sie vom Verkäufer das gekaufte Motorrad, welches schon dann einen Mangel hat. Dies weiß der Verkäufer im Gegensatz zu Ihnen ganz genau und verschweigt dies Ihnen gegenüber absichtlich, damit Sie beim Kaufpreis nicht weiterverhandeln. Vom Mangel erfahren Sie erst am 14.07.2019. Falls alle Voraussetzungen für Ihren Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz vorliegen, ist dieser grundsätzlich ab dem 01.01.2023 (0:00 Uhr) verjährt, § 438 Abs.3 S.1 i.V.m. §§ 195, 199 Abs.1 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt hier 3 Jahre, da der Verkäufer den Mangel Ihnen gegenüber arglistig verschwiegen hat. Die Verjährungsfrist beginnt hier erst mit dem Ablauf des 31.12.2019 (24 Uhr) und endet mit Ablauf des 31.12.2022 (24:00 Uhr). Ab diesem Zeitpunkt darf sich der Verkäufer grundsätzlich auf die Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz berufen. Haben Sie den Rücktritt also erst ab dem 01.01.2023 (0:00 Uhr) erklärt, würde Ihr Rücktritt dann unwirksam werden, wenn sich der Verkäufer tatsächlich auf die Verjährung beruft.
Beispiel: Bauwerk
Am 21.03.2019 wird Ihnen die gekaufte Photovoltaik-Anlage, welche Sie auf dem Dach selbst anbringen möchten, geliefert. Dass die Photovoltaikanlage schon in diesem Zeitpunkt einen Mangel hat, ist weder Ihnen noch dem Verkäufer bekannt. Erst etwa 4 Jahre später fällt Ihnen der Mangel auf. Ihr etwaiger Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz ist grundsätzlich noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 438 Abs.1 Nr.2 a) BGB fünf Jahre (Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.06.2016, Aktenzeichen: VII ZR 348/13). Ihr etwaiger Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz ist erst ab dem 22.03.2024 (0:00 Uhr) verjährt, § 438 Abs.2, 2. Alt. BGB i.V.m. §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2, 1. Alt. BGB. Ab diesem Zeitpunkt darf sich der Verkäufer grundsätzlich auf die Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz berufen. Haben Sie den Rücktritt also erst ab dem 22.03.2024 (0:00 Uhr) erklärt, würde Ihr Rücktritt dann unwirksam werden, wenn sich der Verkäufer tatsächlich auf die Verjährung beruft.
Aussetzung oder Neubeginn der Verjährung
Wichtig zu wissen ist, dass es verschiedene Vorschriften gibt, wonach die Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz gegebenenfalls für einen gewissen Zeitraum ausgesetzt wird oder sogar komplett neu beginnt.
Wann wird die Verjährung ausgesetzt?
Unter welchen Voraussetzungen die Verjährung ausgesetzt wird, ergibt sich insbesondere aus § 203 BGB (Verhandlungen zwischen Ihnen und den Verkäufer über Ihren Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz) und § 204 BGB (zum Beispiel Nr.1: Sie verklagen den Verkäufer auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz).
Wann beginnt die Verjährung neu?
Gemäß § 212 Abs.1 Nr.1 BGB beginnt die Verjährung bezüglich eines Mangels sogar komplett neu bei einem Anerkenntnis durch den Verkäufer Ihnen gegenüber bezüglich seiner Pflicht zur Reparatur bzw. zum Ersatz. Bei einer Reparatur liegt ein Anerkenntnis zum Beispiel insoweit vor, als dass der Verkäufer aus Ihrer Sicht nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein gehandelt hat, zur Reparatur des konkreten Mangels verpflichtet zu sein. Entscheidend sind hierbei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Reparatur (Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.10.2005, Aktenzeichen VIII ZR 16/05). Wichtig: Die Verjährung beginnt aber dann nicht neu zu laufen, wenn Ihr Anspruch bereits verjährt war, als der Verkäufer Ihren Anspruch anerkannte.
Verkürzung oder Verlängerung der Verjährungsfrist
Innerhalb bestimmter Grenzen kann die Verjährungsfrist durch individuelle Vereinbarung oder mittels AGB verkürzt (schlecht für Sie) oder verlängert (gut für Sie) werden.
Beispiel: Mittels AGB kann die Verjährungsfrist beim Verkauf eines neuen Kaufgegenstandes gegebenenfalls auf 1 Jahr verkürzt werden, § 309 Nr.8 b) ff) BGB. Sofern Sie den Kaufgegenstand aber im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs gekauft haben, ist eine solche Vereinbarung aber gemäß § 476 Abs.2 BGB grundsätzlich unwirksam. Denn nach dieser Vorschrift darf die Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz beim Kauf eines neuen Kaufgegenstandes höchstens auf 2 Jahre verkürzt werden, sofern diese Vereinbarung getroffen wurde, bevor Sie den Verkäufer über den Mangel informierten bzw. bevor Sie von ihm über den Mangel informiert wurden (§ 476 Abs.1 BGB). Sofern Sie einen gebrauchten Kaufgegenstand gekauft haben im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs, wäre eine Verkürzung der Verjährung Ihres Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz auf höchstens 1 Jahr wirksam, § 476 Abs.2 BGB.
Möglichkeit 2: Der Verkäufer beruft sich zu Recht auf die Verjährung Ihres hypothetischen Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz
Ihr Rücktritt ist dann unwirksam, wenn Ihr hypothetischer Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz (§§ 437 Nr.1, 439 BGB) verjährt wäre und sich der Verkäufer tatsächlich und zu Recht auf diese Verjährung beruft. Sie haben dann einen nur hypothetischen (also "gedachten") Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz, wenn Sie in Wirklichkeit darauf keinen Anspruch haben. Dies ist dann der Fall, wenn Ihnen wegen Unmöglichkeit (§ 275 Abs.1 BGB), unzumutbar hoher Kosten (§ 439 Abs.4 BGB), eines unzumutbaren Aufwandes (§ 275 Abs.2 BGB) oder einer persönlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs.3 BGB) der Reparatur und des Ersatzes ein Anspruch darauf nicht zusteht.
Beispiel: Sie haben ein Pferd, welches Sie wegen seiner besonderen positiven Eigenschaften ausgesucht hatten, gekauft und am 10.06.2019 abgeholt. Weder eine Behandlung ("Reparatur") noch ein Ersatz sind möglich. Schon vor der Abholung war es - unbemerkt - unheilbar krank und es kann wegen seiner Einmaligkeit ("Einzelstück auf dem Markt") auch nicht durch ein anderes Pferd ersetzt werden. Da Reparatur und Ersatz nicht möglich sind, haben Sie darauf keinen Anspruch. Hätten Sie einen solchen Anspruch (hypothetisch), so wäre dieser ab dem 11.06.2021 (0:00 Uhr) verjährt, § 438 Abs.1 Nr.3, Abs.2 2.Alt. i.V.m. 218 Abs.1 S.2, 1. Alt. BGB. Ab diesem Zeitpunkt darf sich der Verkäufer grundsätzlich auf die Verjährung Ihres hypothetischen Anspruchs auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz berufen. Haben Sie den Rücktritt also erst ab dem 11.06.2021 (0:00 Uhr) erklärt, würde Ihr Rücktritt dann unwirksam werden, wenn sich der Verkäufer auf die Verjährung beruft.
Erfolg bei Gericht trotz Verjährung
Wenn Sie vom Kaufvertrag zurücktreten, obwohl Ihr Anspruch bzw. hypothetischer Anspruch auf eine Reparatur bzw. einen Ersatz bereits verjährt ist, und den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises verklagen bzw. Sie vom Verkäufer auf Zahlung des Kaufpreises verklagt werden, würden Sie dennoch vor Gericht gewinnen, wenn sich der Verkäufer nicht tatsächlich auf die Verjährung beruft. Denn dann darf das Gericht bei seiner Entscheidung die Verjährung nicht berücksichtigen. Darf Gericht darf den Verkäufer wegen seiner Neutralitätspflicht auch nicht auf die Verjährung aufmerksam machen.
Was ist mit dem Kaufpreis, wenn Ihr Rücktritt wegen Zeitablaufs unwirksam ist?
Bei der Frage danach, was mit dem Kaufpreis ist, wenn Ihr Rücktritts wegen Zeitablaufs unwirksam ist, wird danach unterschieden, ob Sie den Kaufpreis bereits bezahlt haben oder nicht.
Kaufpreis bisher noch nicht bezahlt
Soweit der Rücktritt gemäß § 438 Abs.4 S.1 i.V.m. § 218 BGB unwirksam ist, können Sie die Zahlung des Kaufpreises verweigern, § 438 Abs.4 S.2 BGB.
Soweit Sie die Zahlung des Kaufpreises gemäß § 438 Abs.4 S.2 BGB verweigern, kann der Verkäufer vom Kaufvertrag zurücktreten.
Kaufpreis bereits bezahlt
Haben Sie den Kaufpreis bereits voll oder teilweise gezahlt, haben Sie keinen Anspruch auf Rückzahlung, § 214 Abs.2 S.1 BGB.
Sie haben gute Chancen vor Gericht zu gewinnen! 😊
Antworten zurücksetzen & Voraussetzungen erneut prüfen!Ob Sie wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten können ist ungewiss.
Antworten zurücksetzen & Voraussetzungen erneut prüfen!Leider können Sie nicht wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten.
Antworten zurücksetzen & Voraussetzungen erneut prüfen!Enthalten im Paket: